Geplante Änderungen am Asylsystem
"Europas Flüchtlingspolitik wurde auf einem Niveau der Schäbigkeit harmonisiert."

Die geplanten Änderungen des europäischen Asylsystems sorgen für heftige Kontroversen und öffentichen Protest. Während die Bundesregierung das Vorhaben als "schwierigen Kompromiss" verteidigt, sehen zahlreiche Kritikerinnen und Kritiker das Recht auf Asyl und die Menschenrechte als mehr denn gefährdet an:
• Pro Asyl spricht von einem "Frontalangriff auf das Asylrecht" , warnt vor dem endgültigen Ausverkauf der Menschen- und Flüchtlingssrechte in Internierungslagern an Europas Grenzen, ruft zur persönlichen Unterzeichnung einer Petion unter dem Titel "Nein zu einem Europa der Haftlager für Flüchtlinge" auf und droht mit Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.
• Markus Beeko, der Generalsekretär von Amnesty in Deutschland, erklärte: "Die Beschlüsse sind kein Durchbruch, sondern ein menschenrechtlicher Tabubruch, eine Missachtung des verfassungsmäßigen Auftrags und ein gebrochenes Versprechen des eigenen Koalitionsvertrages."
• Tief gespalten zeigen sich die Grünen. Aus der Partei, der Grünen Jugend aber auch der Bundestags- und der EU-Fraktion kommt massiver Protest. Harsche Zwischenfazit von Jürgen Tritin in der Rheinischen Post: "Europas Flüchtlingspolitik wurde auf einem Niveau der Schäbigkeit harmonisiert." Und auch in der SPD rumort es.
• Die TAZ titelt: "Europa rückt nach rechts!" und "befürchtet die neue EU-Asylregelung wird sich das Leben von vielen Ankommenden künftig an Orten abspielen, die Hochsicherheitsgefängnissen gleichen".
• Der Co-Vorsitzende der Europäischen Linksfraktion Martin Schirdewan, sprach mit Blick auf das Vorhaben von einer "Bankrotterklärung mit der sich Deutschland "vor der versammelten Rechten Europas in den Staub werfe".
• Renommierte Anwaltsvereine kritisieren den Beschluss der EU-Innenminister*innen. Anwälte befürchten "die Schaffung einer rechtlichen EU-Grundlage für die Gewährung künftig defacto rechtsfreier Räume in menschenunwürdigen Internierungslagern".
Menschen- und Flüchtlingsrechte # unverhandelbar?
Heribert Prantl mahnt in seiner SZ-Wochenkolumne: " Ja! Ich war und bin dagegen, Flüchtlinge, wenn sie nicht aus der Ukraine kommen, als Menschen dritter Klasse zu behandeln. Solche politische Rohheit ist ansteckend. Ich bin für eine Flüchtlingspolitik, die von der Devise ausgeht: Handeln wir so, wie wir selbst behandelt werden wollten, wenn wir Flüchtlinge wären". In seiner Kolume zitiert er abschließend einem Satz aus der Präambel der Schweizerischen Verfassung:
"Die Stärke eines Volks misst sich am Wohl der Schwachen."
Das gilt aus Prantls Sicht auch für Europa!
Mit dem rechtsstaatlichen Leitprinzip der Einzelfallprüfung im Asylverfahren und den jahrzehntelangen politischen Bekenntnissen künftig die Fluchtursachen anstatt die Flüchtlinge selbst bekämpfen zu wollen, hat das alles nichts mehr zu tun.
Ob die Maßnahmen zudem ihren politisch gewollten Zweck erfüllen, bleibt zudem fraglich
Dazu die Sozialwissenschaftlerin Zeynep Yanaşmayan, Leiterin der Abteilung Migration am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung in Berlin im Interview mit Zeit online:: "Zahlreiche Studien zeigen: Entscheidend ist die Lage in Herkunfts- und Transitländer: "Wenn es dort zu politischen Unruhen oder Verfolgung komme, müssten Menschen fliehen - "egal wie sehr man das Asylrecht verschärft".
Noch kann das Europaparlament eingreifen!
Laut dem geplanten Vorgehen soll das neue Verfahren bereits im Februar 2024 abgeschlossen sein, drei Monate vor den Wahlen zum Europäischen Parlament.