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Gute Arbeit ohne Wachstum?

Zukunftsfähiges Wirtschaften in einer Postwachstums-Gesellschaft
Vom 15. bis 17. Mai 2017 fand im beschaulichen Tutzing an der evangelischen Akademie die Tagung „Gute Arbeit ohne Wachstum?" statt. Aus der ganzen Republik und Österreich kamen Akteure aus unterschiedlichen Bereichen - vom Umsonst-Laden-Betreiber hin zu Professor(inn)en - zusammen, um über die Frage, ob gute Arbeit in Zeiten von Wachstumsgrenzen, Globalisierung und Digitalisie-rung für alle möglich ist, zu diskutieren.
Durch Impulsvorträge wurden (Prof. Dr. Diefenbacher, PD Dr. Seidl und Dr. Kurz) historische, feministische und arbeitssoziologische Perspektiven auf die Thematik was ist gute Arbeit in einer sich wandelnden kapitalistischen Gesellschaft (Stichworte: Globalisierung und Digitalisierung), die auf Kosten von Mensch und Natur lebt, aufgezeigt.
In den Vorträgen wurde betont, dass Arbeit mehr ist, als die traditionelle Erwerbsarbeit, es aber auch immer wieder fortschrittliche Gegenbewegungen benötigt, um die Deutungshoheit der Begrifflichkeit zu erweitern. So z.B. der von Gewerkschaften aufgeworfene Begriff Gute Arbeit, welcher aus der Humanisierungsdebatte weiterentwickelt worden ist oder aber der Care-Begriff der feministischen Seite).
Davon ausgehend wurde klar, dass im Bestehenden die Kritik am fetischisierenden Arbeitsbegriff (vgl. Marx Fetischcharakter der Ware) aufgenommen werden muss und dieser anhand der Kritik emanzipatorisch weiterentwickelt werden kann. Nun stellte sich die Frage der Machtverhältnisse und wer eine Politik des guten Lebens umsetzt?
Prof. Dr. Hengsbach fasste die Diskussionen in einem spannenden Vortrag zum Thema „Das Recht auf Rechtfertigung kapitalistischer Arbeitsverhältnisse" zusammen. Entlang der Themenstränge Gerechtigkeit, Gute Arbeit und Digitalisierung orientierte Dr. Hengsbach. Quintessenz war, dass „Eigentum [...] Eigentum ist und Eigentum verpflichtet. Wozu weiß keiner und wer verpflichtet ist, wird auch nicht gesagt". Die „Entscheidungsmacht ist eindeutig, sie liegt bei den Kapitaleignern." Das bedeutet, dass das „Recht an Rechtfertigung kapitalistischer Herrschaft [...] entweder bei allen liegen [muss] - unter Einschluss derjenigen, die über das Kapitalvermögen verfügen aber dann auch unter Einschluss derer, die über das Arbeits-, das Natur- und das Gesellschaftsvermögen verfügen", was bedeutet, dass das Verteilungsvermögen der derzeitigen Verhältnisse korrigiert werden und dies schon zu Beginn (noch vor Tarifverträgen) einbezogen werden muss, also am Anfangspunkt: der Wertschöpfung. Dies kann eine Form von Gerechtigkeit sein.
Des Weiteren beschäftigte sich die Tagung mit theoretischen Ansätzen, die schon in der Praxis ausgeübt werden. Von der Care-Revolution über Arbeitszeitmodelle gab es Eindrücke und Erkenntnisse. Den Abschluss der Tagung bildete eine gewerkschaftliche Podiumsdiskussion mit Klaus Pickshaus (IGM) und Holger Bartels (IG BAU) über gute Arbeit in Verbindung mit einem Vortrag von Prof. Dr. Ulrich Brand zu imperialen Lebensweisen (vgl. Ulrich Brand im Video).
Die Tagung gab viele wichtige Impulse für die eigene Praxis aber auch zum Überdenken der eigenen Lebens- und Arbeitsweise. Es wurde dazu angeregt, den neoliberalen Fortschritts- und Technikglauben kritisch zu begleiten und sich nicht nur als Konsument zu betrachten, sondern als aktive(r) Akteur(in) für eine bessere Welt. Als Beispiel hierfür können die vielen Menschen dienen, welche eher unspektakuläre Veränderungen (vgl. Ulrich Brand) vorantreibt. Gemeint sind hier u.a. alternative Ernährungsweisen, aber auch die 6 Millionen ehrenamtlichen Helfer(innen) in der Geflüchtetenfrage. Um sich mit gemeinsamer Stimme zu artikulieren wurde von Klaus Pickshaus der Begriff der „Mosaik-Linken" vorgeschlagen. Damit ist gemeint, nur wenn unterschiedliche Traditionen und Kulturen nebeneinander mit ihren Interessen und Anliegen bestehen, sie sich aber gleichzeitig zu einem gemeinsamen Projekt anordnen, hat eine „Mosaik-Linke" Zukunft.
Hier kannst du eine Auswahl der Vorträge auf YouTube nachverfolgen:
- Vortrag Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ „Das Recht auf Rechtfertigung kapitalistischer Arbeitsverhältnisse":
https://www.youtube.com/watch?v=SYsKtzuns8Y - Vortrag Prof. Dr. Ulrich Brand „Solidarisch arbeiten in der Postwachstumsgesellschaft – im globalen Kontext: Wie kann die imperiale Lebens- und Arbeitsweise überwunden werden?":
https://www.youtube.com/watch?v=_tyHs2os9w8 - Dr Christa Wichterich „Care und (Re)Produktion – Eine feministische Sicht auf Postwachstum":
https://www.youtube.com/watch?v=twybYFdTtWY
Literaturhinweise:
- Brand, Ulrich/Wissen, Markus (2017): Imperiale Lebensweise. Zur Ausbeutung von Mensch und Natur in Zeiten des globalen Kapitalismus. 224 Seiten, oekom Verlag München. ISBN 9783865818430.
- Gorz, Andre (2009): Auswege aus dem Kapitalismus. Beiträge zur politischen Ökologie. 128 Seiten, Rotpunktverlag Zürich. ISBN 9783858693914.
- Klein, Naomi (2015): Die Entscheidung. Kapitalismus vs. Klima. 704 Seiten, S. Fischer Verlag Frank-furt/Main. ISBN 9783100022318.
- Seidl, Irmi/Zahrnt, Angelika (Hrsg.) (2010): Postwachstumsgesellschaft. Konzepte für die Zukunft. 247 Seiten, Metropolis Marburg. ISBN 9783895188114.