30. Januar 1933
ein GeDENKtag auch zu den Ursachen von Schweigen, Komplizenschaften und Mitläufertum

Vor genau 90 Jahren, am 30. Januar 1933, wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt.
Noch im selben Jahr brannten der Reichstag und jüdische Geschäfte, beschloss die Mehrheit des Reichtstages im März das Ermächtigungsgesetz, wurde der 1. Mai von den Nazis zum gesetzlichen Feiertag gemacht, stürmte die SA am Tage drauf die Gewerkschaftshäuser, kam es zum Verbot von SPD, KPD und freien Gewerkschaften ...
Ein Gedanke zu diesem Jahr von Charlotte Wiedemann, Chedredakteurin der TAZ:
"Zum Gedenken an Holocaust und Nationalsozialismus muss es auch gehören, dass nicht nur die auftreten, die Opfer der Nazis wurden. Es müssten auch die anderen auftreten, deren Familien nur zugeschaut haben. Wir müssten privat und öffentlich auch darüber reden, warum sie und ihre Familien nichts getan haben. Aber das ist bis heute ein Tabu."
Geredet werden muss also auch und gerade darüber, wie sich die Propagandamaschine der Nazis offensichtlich der Köpfe und Herzen von Millionen Deutscher bemächtigte, Wer sich damit befassen möchte, wer 19333 ermöglichte, empfehlen wir zwei wirklich sehr gute Produktionen aus der Mediathek von arte:
- In dem opulenten Zweiteiler "Berlin 1933 - Tagebuch einer Großstadt" erzählt Volker Heise am Beispiel der Hauptstadt von diesem schicksalhaften Jahr. Die kurzen Ausschnitte aus Tagebüchern, Briefen, Fotos und Bewegtbilder von Menschen unterschiedlichster Milieus aus dem ganzen Jahr 1933 verdichten sich dabei ruhig und eindringlich zu einer berührenden Collage über das Ende der Demokratie und den Beginn einer Dikatur. Lebendig wird dabei ein historisches Panorama - vergangen und doch verdammt gegenwärtig. Denn anhand der Berliner Tagebucheinträge und Bilder wird deutlich, wie schleichend, toxisch und dennoch wohlorganisiert sich dieser Prozess im ganz normalen Alltag vollzog.
- Ebenfalls sehr sehenswert, eine Dokumentation über Frauen in der NS-Zeit. Sie waren zu Hunderttausenden nicht etwa passive Zeuginnen eines von Männern verübten Völkermords, sondern unentbehrliche Mittäterinnen. Das Engagement und die Brutalität der Sekretärinnen, Krankenschwestern, KZ-Wächterinnen und Ehefrauen von SS-Männern wirft Fragen auf: Wie sind sie zu Komplizinnen, mitunter zu Mörderinnen geworden? Warum hat die deutsche Nachkriegsjustiz in Teilen die Augen vor ihren Verbrechen mindestens genauso verschlossen wie vor denen ihrer männlichen Mitstreiter? Welche Tabus führen auch heute noch dazu, ihre Taten nicht zu benennen? Was begeisterte sie zu Millionen für "den Führer"?
Beide Dokumentationen veranschaulichen, wie hoch die Gewaltbereitschaft in der gesamten Gesellschaft war und wie furchtbar klein, aber oftmals entscheidend die Schritte sind, vom Wegschauen im Alltag bis zur Mittäterinnenschaft, ob bei der Einzeltat oder organisierten Massenmord.
Beide Filme machen nachdenklich und bieten einen Anstoß dazu, um sich auf die eigene Spurensuche zu begeben und vielleicht die letzten noch lebenden Zeitzeugen zu befragen, auch mit Blick auf die eigene Familienbiographie oder Nachbarschaft.