BILDUNG IN BEVERUNGEN
WILLKOMMEN IM WESERBERGLAND

400 neue Arbeitsplätze in Sicht

Eine Herausforderung auch für Betriebsräte bei Stiebel Eltron

Vorschau

Mehr als zwei Millionen Menschen suchen aktuell nach Arbeit. Millionen ernähren sich mit prekären Jobs – oft auch gleich zwei oder drei davon. Derweil suchen parallel ganze Branchen händeringend nach verfügbaren Fachkräften und bleiben gute Stellen schon jetzt unbesetzt. 

Irgendwas passt da nicht.
Wo liegt das Problem?


Was sind erfolgsversprechende Lösungen, jenseits neoliberaler Antworten, wie der Verlängerung der Wochen- oder Lebensarbeitszeit? Dies ist nicht nur ein Thema für die Bundesanstalt für Arbeit, Personalabteilungen, Wirtschaft und Politik, sondern auch und gerade für engagierte Betriebsräte und aktive Gewerkschafter*innen. 

Ein Lied davon singen, kann auch der Betriebsrat von Stiebel-Eltron in Holzminden, einer Kleinstadt an der Weser, zu Gast im Bildungszentrum Beverungen:

„Unsere Auftragslage ist bestens!“ betont auch Michael Klemm, BR-Vorsitzender bei Stiebel-Eltron in Holzminden

Sein Credo: “Alles entscheidend ist allerdings die gezielte Gewinnung, Einstellung und Qualifizierung von geeignetem Fachpersonal. Der Mangel an Nachwuchs und die Besetzung von Stellen sind nicht nur für den Ausbau der Fertigungskapazitäten an unserem hiesigen Produktionsstandort wichtig. Mindestens so bedeutend sind qualifizierte Fachpartner – denn ohne das nötige Knowhow und gut geschulte Handwerksbetriebe vor Ort, sind auch die zügige Montage sowie Pflege und Wartung moderner Anlagen ein Problem. “  

Die Branche boomt –
die Umsätze stiegen doppelstellig

  • Bereits zu Beginn dieses Jahres gab das Unternehmen bekannt, am Hauptsitz in Holzminden etwa 120 Millionen Euro in eine neue Wärmepumpen-Fertigung investieren zu wollen.

  • Allein durch diesen Kapazitätsausbau entstehen in Holzminden ca. 400 neu zu besetzende Arbeitsplätze. 

Doch gerade jenseits industrieller Ballungszentren und größerer Städte ist die Rekrutierung von Fachkräften wahrlich nicht leicht. Es gilt, Quereinsteiger*innen aus der Region weiterzubilden und Neuzuzüge für die Region nicht nur zu gewinnen sondern auch nachhaltig zu integrieren.

Dazu ein Kollege in der Seminarpause: „Das Unternehmen bietet den Beschäftigten durchaus berufliche Perspektive. Doch es ist nicht einfach, junge und qualifizierte Leute in der Region zu halten sowie Menschen für den Zuzug ins südliche Nderdersachsen zu gewinnen. Dahinter steht bei vielen die Angst, hier einfach zu weit vom Schuss zu sein, sprich: nach Feierabend sozusagen tot über dem Zaun zu hängen und die große, weite Welt zu verpassen!

Dabei bietet unser schönes Weserbergland nicht nur sinnvolle und sichere Arbeitsplätze für gefragte „Green-Tec-Produkte“ sondern viel Lebensqualität, gute Nachbarschaft und Freizeitmöglichkeiten, gerade für Familien mit Kindern!“

Stiebel Eltron – vom „Boiler-Hersteller“ zum „Markt-Boomer“

  • “Getriggert“ schon durch die Ölkrise 1973 und einen entsprechenden Absatzrückgang setzte das Familienunternehmen in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich auf technische Neuentwicklung und Produktinnovation.

  • Aus dem guten alten „Boiler“ („Stiebel Eltron – immer heißes Wasser“) wurden im Lauf der Jahre komplexe Systemlösungen im Bereich Heizungs-, Lüftungs- und Warmwasser-Technologie.

  • Bereits 1999 startete die Produktion von Integrallösungen, die alle haustechnischen Systeme in einem Gerät vereint: Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung, Heizung und Warmwasserbereitung in Kombination mit einer Luft-Wärmepumpe.

Heizung & Warmwasser –
ein zentraler Hebel für Klimaschutz


Wärmepumpen funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip wie ein Kühlschrank: Der Umgebung wird Wärmeenergie entzogen, die dann auf der anderen Seite des Systems abgegeben werden kann.

  • Bei einem Einsatz als Heizung wird hier aus der aufgewandten elektrischen Energie das Drei- bis Vierfache an Wärmeenergie generiert. Umweltfreundlich und effizient!

  • Wirklich klimaneutral arbeiten moderne Wärmepumpen dabei in Kombination mit einer guter Hausdämmung sowie einer Photovoltaikanlage bzw. der Stromversorgung aus regenerativen, also emissionsfreien Stromquellen.

  • Der Einsatz von Wärmepumpenheizungen zur Nutzung von Umweltwärme kann so einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Klimaziele liefern:

Wichtig: denn die Beheizung unserer Gebäude macht derzeit deutlich mehr als ein Drittel (!) unseres gesamten Energieverbrauchs aus, so dass hier ein entsprechend zentraler, sehr wirksamer Hebel für die Energiewende angesetzt werden kann.

Selbst Greenpeace titelt:
„Mehr Wärmepumpen braucht das Land!“


Entsprechend betont Greenpeace in seinen Vorschlägen zur Wärmewende: „Umgebungswärme und Wärmepumpen sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Konzepte, um die langfristigen energie- und klimapolitischen Ziele umzusetzen: Ein (nahezu) „klimaneutraler Gebäudebestand“ kann nur mit einer sehr großen Anzahl an energieeffizienten Wärmepumpen in möglichst gut gedämmten Häusern erreicht werden.“  

Gute Zeiten also für den europäischen Marktführer aus Holzminden. Allerdings:

Keine Erreichung der Klimaziele ohne Fachkräfte

Expertinnen und Experten sehen notwendige schnelle Fortschritte für die im Interesse der Klimaziele so wichtige Energiewende derzeit leider durch den Fachkräftemangel massiv und ernsthaft bedroht.

  • Dies bestätigt auch Ralf Kutzner, Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand der IG Metall auf einer Pressekonferenz in Berlin. „Die nötigen Klimaschutz-Fortschritte im Gebäudesektor sind ohne ausreichend Fachkräfte in den kommenden Jahren einfach nicht zu schaffen.“  

  • Seine klare Warnung: "Bei einem gleichzeitig wachsenden Bedarf, insbesondere in der energetischen Gebäudesanierung, fehlen schon jetzt bis zu 190 000 Fachkräfte". Für die Energiewende im Gebäudesektor brauche es eine große Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive sowie eine stärkere Tarifbindung der Unternehmen – vor allem in Handwerksbetrieben.

Öffentliche Vergaben und staatliche Bezuschussungen sollten deshalb, aus seiner Sicht, nur an tarifgebundene Unternehmen vergeben werden: „Industrie sowie vor allem das Handwerk und seine Kunden brauchen qualifizierte Fachkräfte. Und Fachkräfte brauchen attraktive Arbeitsbedingungen."

Entsprechend hat die IG Metall Anfang September, zusammen mit vier Zentralverbänden des Handwerks, eine neue Initiative zur Fachkräftesicherung ins Leben gerufen.

Jetzt gefragt:
Kreative Ideen für die Rekrutierung


Die Zeiten, in denen Unternehmen die Qual der Wahl bei ausreichend vorliegenden Bewerbungen hatten, sind schon lange vorbei.

  • Personaler drängeln sich auf Ausbildungsmessen und in Social-Media-Kanälen, um die demographisch geschrumpfte Zahl potenzieller Auszubildenden zu erreichen

  • Unternehmen zahlen Provisionen – übrigens in nicht unrelevanter Höhe (1.000 bis 5.000,00 EUR) – für die erfolgreiche „Anwerbung“ neuer Leuten durch externe Agenturen oder auch die eigene Belegschaft im Einsatz als „Headhunter“

  • In Holzminden wurde 2015 eigens der „Energy Campus“ eröffnet, ein attraktives Trainings- und Kommunikationszentrum und preisgekröntes Energie-Plus-Gebäude in dem jährlich bis zu 10.000 Fachleute geschult und Besucher*innen beraten werden

  • Und: gezielt setzt man in der Fertigung auf die Einstellung auch völlig fachfremder Kolleg*innen, die dann betriebsintern nicht nur kurz angelernt, sondern gezielt und kontinuierlich qualifiziert werden

In jedem Fall müssen boomende Zukunfts-Branchen und die „Zeitenwende“ also künftig auf neue und endlich durchschlagendere Strategien setzen:

  • Das „A und 0“: faire Tariflöhne, echte Aufstiegschancen, Zeit für Weiterbildung und ein beteiligungsfreudiges Betriebsklima

  • Positiv: Eine Chance haben dabei auch echte Quereinsteiger*innen – durch Nachqualifizierung, Weiterbildung und gezielte Einarbeitung. So erhalten sie auch bei Stiebel-Eltron die persönliche Möglichkeit aus beruflichen Sackgassen rauszukommen und in die (meist viel besser bezahlte) Produktion eines modernen Metall- und Elektrounternehmens zu wechseln

  • Regierungsziel: Die Ampelregierung und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wollen die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland zeitnah erleichtern und ausbauen, um den demographischen Wandel auszugleichen

  • Eine Herausforderung: gerade für die Personalrekrutierung in der eher ländlichen „Provinz“ oder strukturschwachen Gegenden werden ehemals weiche Standortfaktoren (Lebensqualität, Mobilität, bezahlbarer Wohnungen, Kultur- und Bildungsangebote, Image) sehr viel bedeutsamer

Das Zauberwort:
Zeit für Anwerbung, Ausbildung und Qualifikation


Gut für die Menschen und eine „Win-Win“-Situation für alle. Dazu BR-Kollege Klemm: „Ohne mehr Fachleute in Industrie und Handwerk kann die hohe Nachfrage nicht zufriedenstellend bedient werden und bringen wir unsere umweltfreundliche Heiz- und Warm-Wassertechnik einfach nicht in die Haushalte. Unternehmen müssen Zeit und Geld in Menschen investieren wollen, nicht nur in die Ausweitung von Maschinenlaufzeiten, Schichtfahrplänen, Kapazitäten und Stückzahlen.“

Wichtig sind dem Betriebsrat natürlich gute Arbeitsbedingungen und eine klare Tarifbindung, aber auch mehr aktive Mitbestimmungsrechte (bei Personalentscheidungen) und eine rechtzeitig einbezogene Belegschaft.

Und: neue Ideen, um die Region im südlichen Niedersachsen für den Zuzug neuer Arbeitnehmer*innen und ihrer Familien interessanter zu machen.

 „Faire Arbeit und gutes Leben -
das gehört beides zusammen!“


Dass die Sicherung von Fachkräftebasis nicht nur Voraussetzung für gute Auftragslagen und die Energiewende ist, sondern eine Chance für mehr Arbeitsplatzsicherheit, neuen Gemeinsinn, soziale Gerechtigkeit sowie die Stabilität deutscher Sozialkassen, bestätigt auch eine gerade frisch veröffentlichte Studie der Hans-Böckler-Stiftung.

Die beiden Autorinnen der Studie zeigen darin gleich vier wesentliche Ansätze für erfolgreiche und nachhaltige Fachkräftesicherung auf, die es allerdings allesamt zu einer echten Gesamtstrategie zusammenzuführen gilt:

  • Aktivierung von Fachkräftepotenzial und ein besseres „Matching“
  • Arbeitszeiten frauen-, vereinbarkeits- und altersgerecht gestalten
  • Gesundheit erhalten und Gesundheitsprävention weiter ausbauen
  • Stabilisierung der Sozialkassen und Entschärfung sozialer Ungleichheit

Für Betriebsrat Michael Klemm sind dies Aufgaben auch und gerade für Betriebsräte und IG Metall.

Sein Zwischenfazit: „FairWandel – das muss gemeinsam gedacht und zusammen gemacht werden! Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und die ganze Region. Mit echter betrieblicher Mitbestimmung und ernsthafter Beteiligung und Einbeziehung aller, geht da noch viel!“